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Zum 100. Geburtstag von

Karl Herbert Schmoldt

geboren am 23. Dezember 1884 in Berlin

gestorben am 24. Oktober 1946 in Rädigke (Kreis Belzig)

Erinnerung und Dokumente veranlassen, an meinen Vater zu denken. Alle Mitglieder der Familie sollen damit ein Stück Tradition und Zeitgeschichte erfahren. Unbekannte Einzelheiten sollen mitgeteilt werden, die ohne Emotion, mit sachlicher Tendenz versuchen, ein Stück Familiengeschichte zu rekonstruieren. Wer Herbert Schmoldt kennt, soll eine ihm unbekannte Perspektive erfahren, wer Herbert Schmoldt nicht erlebt hat, wird Phasen eines Lebens erfahren, die ich als Sohn aus erlebter Erinnerung weiß und wie sie durch meine Frau Ingrid, die meinen Vater persönlich nicht kennt, nacherlebt werden.

Ich periodisiere als zeitgenössischer Chronist folgende Lebensabschnitte von Herbert Schmoldt :

1884 geboren in Berlin

1900 Beendigung der Schulzeit

1910 Heirat mit Katharina (Käthe) Schmoldt, geb. Müller

1911 Geburt der Tochter Ruth Schmoldt

von (?) bis 1918 Teilnehmer im Ersten Weltkrieg

1920 Geburt des Sohnes Benno Schmoldt

1946 gestorben in Rädigke als Oberpostamtmann


20er Jahre Berufliche Tätigkeiten als beamteter Telegrapheninspektor in einer wirtschaftlich angestrengten politischen Lage

Diese Perioden seines Lebens sollen mit einigen Merkmalen aus Erinnerung und Dokumenten beschrieben werden.

Herbert Schmoldt ist der jüngste Sohn der Eltern Richard Schmoldt und Mathilde Schmoldt, geb. Gubbe; er hatte zwei Brüder, von denen der eine zur See fuhr, der andere als Prokurist tätig war.

Mein Vater interessierte sich für die damals notwendige Ahnenforschung. Daher weiß ich, daß die Familie Schmoldt hugenottisch gewesen ist, d.h. Herbert Schmoldts Vater war deutsch-reformierten Glaubens, sein Großvater war als Privatsekretär mit Luise Wilhelmine Lefevre verheiratet. So habe ich eine Zeitungsnotiz vom 31. 12. 1934, in der mitgeteilt wird, das Schloß Bärensprung niedergebrannt sei (Ost-Prignitz), welches einem Schulrat Le Fevre gehörte. Mein Vater notierte am Rande: „Ob der Schulrat wohl ein Verwandter ist?“

Mein Großvater, der Vater von Herbert Schmoldt, starb am 21. 11. 1918 in Berlin-Britz, ich kenne ihn also nicht. Meine Großmutter, Mathilde Schmoldt, Herberts Mutter, ist 1928 gestorben. An meine Großmutter habe ich die Erinnerung, daß sie ein liebes und sanftes Verhalten anderen gegenüber zeigte. Sie beschäftigte sich stundenlang mit mir als Kind in Tegel, wenn ich meinen Kaufmannsladen betrieb. Sie hatte es gern, wenn ich ihr, auf dem Sofa sitzend, die ´Ohrläppchen kraulte´.

Mein Vater muß ein guter Schüler gewesen sein. Die Zeugnisse der 5. Realschule (Höhere Bürgerschule) beweisen das. Das letzte Zeugnis, datiert von 1900, weist ihm den Platz 1 unter 33 Schülern zu! Mehrere Jahre zuvor nahm er bereits diesen ersten Platz unter 40 von 50 Schülern in der Klasse ein. Man muß hierzu wissen, daß diese Höhere Bürgerschule damals eine Höhere Schule gewesen ist, wie heute das Gymnasium. Ohne Latein, aber mit den Fächern Englisch und Französisch vermittelte diese Schulart eine Bildung mit den Schwerpunkten in Mathematik und Naturwissenschaften.

1910 bis 1920

Meine Aufzeichnung stützt sich auf Hochzeitszeitung, Fotos und Briefe aus dem Krieg. So ergibt sich folgendes Bild: Herbert Schmoldt wird als eine liebenswürdige Natur mit teilnehmenden Empfinden beschrieben. Bilder und Verse der Hochzeitszeitung weisen ihn als einen ansprechenden, galanten und liebevollen jungen Mann aus. In der Hochzeitszeitung ist bei Ruth Bruchwitz, geb. Schmoldt, wie auch bei Benno Schmoldt nachzulesen. Auszüge aus einem Brief Herberts an Käthe sind am Ende dieser Zusammenstellung zu finden.


Ab 1920

Die 20er Jahre waren für alle sozialen Schichten eine wirtschaftliche und politische Belastung. Mein Vater war beruflich dem bürgerlichen Mittelstand zuzuordnen; es muß ihm finanziell ein Opfer bedeutet haben, seine Tochter Ruth und seinen Sohn Benno auf die sogenannte Höhere Schule zu schicken (Oberlyzeum und altsprachliches Gymnasium). Der Besuch der Höheren Schule kostete Geld.

Mein Vater nahm seinen Beruf ernst; in der Nachbarschaft in der Veitstraße in Berlin-Tegel hieß es: Bei Schmoldts brennt noch um Mitternacht die grüne Schreibtischlampe! Dies bedeutete, mein Vater arbeitete an seinem Schreibtisch, u.a. verfaßte er Beiträge für Fachzeitschriften. Ich kenne keine Hobbies meines Vaters, wie man heute sagt. Mir ist auch nicht in Erinnerung, daß er jemals über seine Arbeit geklagt hat – heute spricht man von „Streß“.

Auf den Dienstreisen meines Vaters ist das Havelland, wie Brandenburg und Friesack – so erinnere ich mich – durfte ich in sogenannten Meßwagen mitfahren. Darauf war ich als Junge sehr stolz. Damals, als Inspektor, hatte mein Vater sicher die Aufsicht über die Telegraphenhandwerker, die Störungen im Fernmeldenetz zu beseitigen hatten. Meine Mutter bekam in der Regel einen Karton Pralinen mitgebracht, damals war ´MOST´ modern! Wenn ich als Junge meinen Vater von seiner Dienststelle im Telegraphenbauamt in der Winterfeldstraße (Schöneberg) abholte, merkte ich, welche Achtung dem Namen Schmoldt entgegengebracht wurde. Meine Mutter ging mit mir meinem Vater oft bis zum Lützowplatz entgegen, wenn er einen Zeitpunkt seines Dienstschlusses genannt hatte. Sonntags gingen wir häufig im Tiergarten Berlins spazieren. Wir verreisten auch in den Ferien, dies war nicht selbstverständlich bei den knappen finanziellen Mitteln eines Beamten in der Weimarer Republik. Mein Vater hatte diese Reisen geplant, ich erinnere mich an Krummhübel (Riesengebirge), an Ückeritz (Ostsee) und an Dierhagen (Ostsee).

Politisch war mein Vater „nationalliberal“, teilweise deutschnational ohne Tendenz zum Nationalsozialismus. Ich glaube, daß diese Terminologie heute schwer zu verstehen ist, dies besonders für den, der keine historische Reflexion übt. Als deutscher Beamter war mein Vater vereidigt und der jeweiligen Reichsregierung verpflichtet. Im Rückblick kann ich nichts aussagen über das Verhältnis meines Vaters zur Kirche. Die damaligen Kontroversen in der Evangelischen Kirche ließen ihn dann aufmerksam werden, wenn Kirche die staatliche Autorität in Frage stellte; er war ein gläubiger Christ ohne politische Tendenz.

Da ich mit 17 Jahren das Elternhaus verließ (Reichsarbeitsdienst – Wehrpflicht – Kriegseinsatz – Kriegsgefangenschaft), habe ich keine Erinnerung an eine politische Meinungsbildung in der Familie. Ich weiß nur, daß aufgrund des sogenannten Münchener Abkommens 1938 („Der Friede ist gesichert!“) die große Werbetrommel für den Eintritt in die NSDAP Erfolg hatte. Der Friede schien dem deutschen Volk 1938 mehr denn je gesichert!

An persönlichen Merkmalen stelle ich rückblickend fest: Mein Vater hatte zu uns Kindern eine liberale, verständnisvolle Beziehung. Ich kann mich nicht an einen lauten Ton erinnern. Pflichtbewußtsein im beruflichen Alltag, fürsorgend in der Familie, interessiert und fördernd bei der Entwicklung und dem Fortkommen der Kinder. Seine Tochter Ruth liebte er sehr, für seinen Sohn erhoffte er sicher die Fortsetzung seines eigenen Aufstiegs.

Mein Vater rauchte kaum, trank gering bei festlichen Anlässen, war für Rohkost gegeistert begeistert ebenso wie auch für Horoskope, liebte Opern, ohne daß er selbst aktiv ein Instrument spielte.

Berufliches Pflichtbewußtsein, Bescheidenheit und engagiertes Verhalten den Mitmenschen gegenüber habe ich von Herbert Schmoldt, meinem Vater, erfahren. Diese „Tugenden“ sind Substanz meines Lebens geworden.


Benno Schmoldt (Unterschrift)


Brief des Herbert Schmoldt an seine Frau Käthe